Tonnengschichten

Once upon a time…

… in einem kleinen Ort, irgendwo an der Nordsee. Es ist still umher. Die Vögel schlafen noch tief und fest. Die Sonne öffnet langsam ihre Augen und reckt sich. Wer genau hinhört wird ein tiefes, sehr tiefes Seufzen hören, direkt gefolgt von einem lauten, grummeligen Gähnen. Dann streckt die Sonne ihre Arme aus und reckt sich, weit über den Horizont hinaus. Dieses Recken weckt die Vögel, zusammen mit den fleißigen Müllentsorgern.

Während die Sonne nun ihre Augen aufschlägt und sich ganz allmählich aus ihrem Traumland in die Wirklichkeit begibt, ihre Zähne putzt und dann duschen geht fangen viele Lebewesen auf Terra Mater bereits mit ihrem Tagewerk an. Die Amseln ziehen fleißig Regenwürmer aus dem nassen Grasboden, die Schwalben stecken ihre Nester nochmal schnell neu zusammen, weil der Wind die schon wieder komplett zerzaust hat, die Müllentsorger reiben ihre Hände in der kühlen Morgenluft aneinander und entfachen damit das Feuer, das sie brauchen um den Tag zu überstehen.

Denn, wisst ihr, so ein Müllentsorgungsleben ist rein geruchstechnisch nicht das allereinfachste. Deshalb sind manche Müllentsorger regelrecht froh, dass sie zum einen viel an der frischen Luft sind, zum anderen, dass Kaffeeduft einfach fast alles andere überdeckt. Klasse oder? Was Kaffee so alles kann: Grummelige Sonnengähner vertreiben und Müllgeruch überdecken.
Und was Müllentsorger so zu sehen bekommen ist auch wirklich sehr spannend. Von Füchsen, sie in Tonnen schlecken über viele wabbelige weiße Maden, die bis ans Ende der Zeiten hinter ihnen herkriechen, bis hin zu frechen Waschbären ist einfach alles dabei. Manchmal entpuppt sich so ein Waschbär als Mensch, der im Restmüll noch Schätze zu finden erhofft.

Was für ein Glück für alle Müllentsorger, Hausfrauen und Menschen, die sich der Reinlichkeit verschrieben haben, dass es so tolle Unternehmen gibt, die die Mülltonnen reinigen. Ja, das gibt es tatsächlich! Bei uns ist es ein riesiges Reinigungsschiff, das bei Engagement angefahren kommt, ein tolles Ding, das die Mülltonne kurz mal verschluckt und dann sauber wieder ausspuckt. Geradezu faszinierend, sag ich euch. Nun, da ich mich der Reinlichkeit verschrieben habe engagiere ich dieses tolle Riesenmülltonnenreinigungsschiff immer mal wieder. Und diesmal gleich im Doppelpack: einmal für die braune und dann noch für die schwarze Tonne. Ist das bei euch auch so? Die schwarze Tonne verschluckt den Restmüll und die braune Tonne verschluckt den Biomüll. Biomüll wird mit steigender Wärme sehr lebendig, und die Müllentsorger schaffen es trotz aller Mühe oft nicht, den gesamten Inhalt bis zum letzten Grämmchen aus den Tonnen herauszuschlackern, daher ist das Riesenmülltonnenreinigungsschiff im Sommer sehr beschäftigt. Wie dem auch sei. Ich freute mich nach meiner Bestellung: wir haben anschließend eine blitzsaubere Bio- und Restmülltonne.

Wenn die Sonne ihre Brille aufgesetzt hat und über den Rand des Horizonts schaut, kann sie die Müllentsorger beobachten, wie sie die Mülltonnen fleißig leeren. Wie kleine Ameisen, die die Tonnen hin- und herschieben und dabei wirklich viel Lärm verursachen. Was ja nichts macht, weil jetzt (fast) alle Lebewesen aus den warmen Federn hüpfen und ihren Tag beginnen. Der Lärmpegel steigt merklich an und die Sonne setzt sich nun ihre Kopfhörer auf und hört eine Runde Morgenstimmungsmusik. Kurze Zeit später biegt das Riesenmülltonnenreinigungsschiff um die Ecke, sammelt die frisch geleerten und sehr dreckigen (mit unter mit wabbeligen weißen Maden besetzten) Tonnen ein, verschluckt sie und spuckt sie blitzsauber wieder aus.

Bis das Schiff zum Gschichtenerzählerinhaus kommt. Es schaut nach links. Es schaut nach rechts. Es schaut auf den Aufgabenerledigungsplan. Irgendwas scheint nicht zu stimmen. Irgendwas scheint zu fehlen. Oder?

Nun, die Gschichtenerzählerin weiß das nicht so genau.

An dieser Stelle beginnt die Detektivgeschichte:

Die Gschichtenerzählerin verlässt am späteren Morgen, die Sonne hat sich schon hingestellt und strahlt von oben auf das schöne Haus herab, die Haustür, in der Hand eine prallvolle Mülltüte, die ein bisschen vor sich hinmüffelt. Sie hält auf die Stelle im Carport zu, an der die braune Mülltonne steht. Sie summt so vor sich hin und – der nächste Schritt bleibt für einen Moment in der Luft hängen und das Liedchen verstummt. Die Mülltonne – sie ist weg! Ja tatsächlich, sie ist einfach weg! Hat sie sich in Luft aufgelöst? Ist sie in der Nacht weggefahren? Hat jemand einen Unterschlupf gebraucht und die braune Tonne dafür entführt? Die junge Dame schaut sich um, schaut nach links, schaut nach rechts, doch ihre Augen können nicht erblicken, was ihr Gehirn sucht. Mit der leicht müffeligen Mülltüte geht sie also zurück und stellt sie nachdenklich in der Küche ab. Und nun? Die schwarze Tonne ist geleert worden, aber da sie ja gesäubert werden soll kann sie den Müll jetzt ja nicht dahinein packen. Die braune Tonne ist weg. Tja, nun muss sie wohl warten.

Am Abend des anstrengenden Tages, die Sonne ist gerade dabei sich die Schlafmaske über die Augen zu ziehen, will die Gschichtenerzählerin die schwarze Tonne dann endlich ins Carport zurückstellen und stellt verblüfft fest, dass sie immer noch dreckig ist. Was ist nicht passiert? Sie hatte das Riesenschiff doch gehört, oder hat sie sich das nur eingebildet? Das ist ja sehr spannend. Erst ist die Biotonne weg, dann ist die schwarze Tonne noch dreckig.
Während sie die schwarze, immer noch dreckige Tonne ins Carport zieht erblickt sie noch etwas, womit sie nicht gerechnet hätte: die braune Tonne ist wieder da! Sie steht auf dem Kopf, tropfnass, vorn am Rand des Carports, mitten im Gras. Verwirrt streicht sie sich eine imaginäre Haarsträhne hinter das rechte Ohr. Wie geht das jetzt? Die Biotonne stand gestern Abend noch im Carport. Heute morgen war sie weg. Und jetzt steht sie um 180° gedreht vor dem Carport im Gras. Und die schwarze Tonne ist dreckig. Die Sonne hat sich inzwischen hingelegt und deckt sich gerade zu. Trotz dreckiger Tonne und ungelöster Fälle.

Tatsächlich haben wir das Rätsel bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelöst. Während die Sonne auch heute wieder, mit Sonnenbrille und Kopfhörern, vertieft in Morgenstimmungmusik, langsam aufsteht, warten wir auf den morgigen Wochentag, damit sich das Rätsel, vielleicht, löst. Mithilfe der wunderbaren Menschen des Riesenmülltonnenreinigungsschiffs. Wir sind gespannt auf die Auflösung.

Und wenn es keine Auflösung gibt, geht es trotzdem irgendwie weiter. Jedenfalls stehen nun beide Tonnen, einträchtig nebeneinander, die eine sauber und die andere nicht, im Carport, und harren der Dinge, die in sie hineinfallen werden.

Habt´s fein!
Eure Susa