Stell dir mal vor…

Du kennst bestimmt auch diese Glückskeks-Sprüche, die mit: „Am Ende…“ beginnen und mit „Glücksmomenten“ enden. Und zwischen dem Ende und den Glücksmomenten stehen Buchstaben, die manchmal nicht viel Sinn ergeben. Interessanter als diese Sprüche sind die Antworten, die man auf diese Sprüche lesen kann (wenn man das überhaupt möchte). Und diese Antworten zeugen von offensichtlicher Unreflektiertheit, Ungereimtheit und Gier. Was sind wir doch für Wesen geworden, die den Hals nicht vollkriegen?

Stell dir mal vor du erzählst so einem Urmenschen oder einem Neandertaler von deinem Leben.
„Ja, wir wohnen in festen Höhlen über der Erde, die haben wir zum Wohnen gebaut. Es gibt inzwischen auf der Welt mehr solcher Höhlen als naturgegebene Höhlen und diese ganzen Höhlen verdrängen inzwischen die Tiere. Bei unseren Wohnhöhlen sind Wände drumherum und Löcher drin, da kannst du durchschauen, aber nicht durchfassen. Manche Löcher in den Höhlen lassen sich öffnen, da kannst du dann rein- und rausgehen. Es gibt weiche Möglichkeiten zum Sitzen und zum Schlafen. Wir schlafen lang ausgestreckt, im Liegen und decken uns mit weichen, übergroßen Decken zu, die nicht aus Tierfellen sind und die jede Kälte abhalten. Wir können völlig ohne Gefahr schlafen. Wir haben einen Bachlauf an 2 – 4 Orten IN unserem Haus, da können wir uns waschen, etwas trinken, das Wasser ist immer sauber. Es gibt einen Ort, da können wir unser Geschäft verrichten, direkt neben unserer Schlafstelle, und das Geschäft wird direkt wieder weggeräumt, wenn wir fertig sind. Wir müssen das Haus nie verlassen, wenn wir das nicht wollen, weil uns von anderen das Essen gebracht werden kann. So viel Essen, wie wir gar nicht aufessen können. Wir haben weiche, warme Kleider in allen Farben und Formen. Wir haben glitzernde Gegenstände zum Spielen und große Steine, aus denen Musik dringt, die nicht von dieser Welt ist. Und wir haben soviel, dass wir jederzeit was abgeben könnten. Und das Essen? Nein, wir müssen nicht jagen oder sammeln. Naja, sammeln gewissermaßen schon. Da gibt es eine riesige Höhle, die ist voll mit Essen, alles, was man sich vorstellen kann und auch alles, was man sich nicht vorstellen kann. Und du kannst alles mitnehmen, wofür du Tauschmittel hast, und dann essen, manchmal kann man auch gar nicht alles essen, was man mitgenommen hat, dann muss man es wegwerfen. Ja, wegwerfen, es ist ja schlecht geworden. Und vieles von dem Essen macht uns krank. Ja tatsächlich, es macht uns krank. Ja, wir wissen das, aber wir essen es trotzdem, weil es uns schmeckt. Der Geschmack ist uns lieber als unser Leben. Irre oder? Und das irrste daran ist jetzt, dass diese Neuzeitmenschen unglücklich, genervt und aggressiv sind. Naja, das aggressive kommt teilweise vom Essen. Es gibt da nämlich tatsächlich so einige Sachen, die aggressiv machen. Irre oder? Aber ansonsten sind die Neuzeitmenschenwesen aggressiv, weil sie vergessen haben, wer sie sind. Und sie fühlen es noch irgendwie, ganz innenuntenversteckt, da rumort was, was sie nicht so richtig greifen können und das macht dann auf Dauer traurig, wütend und aggressiv. Und viele Menschen sind einfach unglücklich. Sie haben mehr, als man sich vorstellen kann, und als man sich nicht vorstellen kann, und sie sind unglücklich. Weil sie das, was sie wollen, nicht haben. Sie haben ja schon alles? Ja. Aber sie wollen eben was anderes. Und wenn man immer dahin schaut, was man nicht hat, dann kann man ja auf Dauer nicht besonders zufrieden sein. Selbst wenn man alles andere schon hat. Stell dir vor, was dabei herauskommt, wenn einer alles hat, was verfügbar ist und er will auch noch alles haben, was nicht verfügbar ist. Genau. Mord und Totschlag. Ja, du hast Recht: die Neuzeitmenschen sind viel schlimmer als die Frühtzeitmenschen. Was ist nur aus uns geworden?“

Es sind ja inzwischen schon einige Menschen, die kurz vor ihrem „Ende“ waren gefragt worden, was ihr Leben wertvoll gemacht hat. Und da haben alle dasselbe gesagt: Zufriedenheit, Akzeptanz und liebevoll-wertschätzende menschliche Nähe und Verbundenheit. Natürlich zählt am Ende nicht, welche Art von Wasauchimmer den Besitz dargestellt hat. Da muss man wohl kaum lange nachdenken. Aber ich glaube, dass die Art des Endes sehr wohl zählt und es zählt auch, wer man im Leben war. Wenn ich als Stinkepeter durch die Welt laufe, alles schlecht mache, nur schlecht über mich und andere spreche, immer nur schlechte Laune überall verbreite, wenn es mir immer nur schlecht geht und ich mich in meinem Selbstmitleid suhle und meine Bekanntschaften darin bestehen, dass ich von anderen getröstet werden möchte, dann ist das alles ziemlich bescheiden für mich selber, oder? Klar, wenn ich da mittendrin stecke merke ich es vielleicht nichtmal. Als Mensch ist man manchmal regelrecht abhängig von seiner schlechten Laune, weil auch diese ein gewisses Maß an „Aufmerksamkeit“ mit sich bringt. Vielleicht bilden wir uns ein, dass wir so mehr Aufmerksamkeit bekommen, als wenn „immer“ alles fein ist.

Wenn ich sehr krank bin, warum auch immer, und mein Ende dann sehr krank verbringe und aufgrund dieser Krankheit das Leben abschließe, dann ist das sicher was ganz anderes und diese Menschen würden mir auch was ganz anderes antworten. Wer krank ist, hat nur ein höchstes Gut: Gesundheit und Wohlgefühl. Das kennen wir Menschen, die wir schon ein paar Jährchen auf der Welt sind, wohl alle.

Ich habe keine Ahnung, wie lange diese Neuzeitmenschen noch existieren werden. Man hört hier und da ja so Sachen wie „Aufstieg“ und so. Wenn ich mich so umschaue, sehe ich eher Abstieg. Ich sehe Unzufriedenheit, Unglück, ich spüre Unfrieden und Disharmonie, Leid und Elend. Mutter Erde ist unfassbar traurig. Ich weiß nicht, wie das Ende aussehen wird. Aber ich weiß, dass bis dahin jeder Moment zählt. Und dass es an mir liegt, was ich daraus mache.

Habts fein! Eure Susa

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